Besuch im Colegio Hebreo Tarbut

 

Am 27. November 2019 haben wir, die 11. Klässler*innen des Colegio-Aleman das Colegio Hebreo Tarbut besucht. In Mexiko-Stadt gibt es mehrere jüdische Schulen, wegen der großen jüdischen Community. Diese Community bildete sich, weil viele Juden während und nach dem zweiten Weltkrieg nach Mexiko (allgemein Amerika) geflohen sind. Ein paar jüdische Jugendliche besuchten zuvor auch unsere Schule und hielten einen Workshop für uns, in dem wir zum Thema Migration und Flucht arbeiteten.

Wir haben das Hebreo Tarbut besucht, da Frau Haya Feldmann aus Israel kam und einen Vortrag über die jugendlichen Juden, während des zweiten Weltkriegs hielt und wir vom Hebreo Tarbut eingeladen wurden. Wir, als deutsche Schule, waren die einzige nicht-jüdische Schule, die eingeladen wurde.

Wir waren noch nie dort. Wir kamen mit unseren Schulbussen an der Schule an und wurden sehr freundlich begrüßt. Danach wurden wir als Generation in einen Raum geführt und haben uns alle um zwei große Tische gesetzt. Wir wussten zu dem Zeitpunkt noch nicht, was uns erwarten würde. Wir sahen nur, dass es in der Mitte des Tisches einen Sack voller Knöpfe gab. Nach einigen Minuten kam eine kleine Gruppe von Schüler*innen des Hebreo Tarbut zu uns und erklärte, was es mit den Knöpfen auf sich hatte. Jeder Knopf stand für einen jüdischen Menschen, der in den Jahren des Nationalsozialismus umgebracht wurde. Dieses Projekt hatte das Ziel, die Dimensionen an Toten darzustellen und natürlich als Hauptgrund zum Andenken und Gedenken an die Ermordeten.

Jede*r Zweite bekam einen kleinen Behälter und musste mit einem Partner jeweils 300 Knöpfe zählen und diese in den Behälter tun. Ich erinnere mich noch sehr genau, dass das Zählen mir sehr schwerfiel, weil ich wusste, dass jeder Knopf für einen ermordeten jüdischen Menschen stand. Ein Knopf bedeutete nicht nur ein Toter, sondern auch ein Mensch, dessen Leben einfach so weggenommen wurde. Ein Kind, welches keine Chance bekommen hat, das richtige Leben zu kosten. Einer Jugendlichen wurde die Möglichkeit weggenommen ihren Abschluss zu machen. Ein Erwachsener hat keine Chance bekommen eine Familie zu gründen. Ein Vater konnte seinem Kind nicht beim Aufwachsen zuschauen. Eine Großmutter konnte ihren ersten Enkel nicht sehen. All das ging mir durch den Kopf.

Nachdem wir mit dem Zählen fertig waren, erklärte uns ein Schüler, dass wir nun 300 Knöpfe von über 6 Millionen gezählt hatten. Er erklärte uns, dass es ihr Ziel war viele andere Schulen einzuladen, bis sie mit den 6 Millionen Knöpfen ein Mahnmal zum Gedenken an die Shoah gestaltet haben.

Nach dem Zählen folgte die Präsentation von Dr. Feldmann. Sie stellte uns 5 jüdische Jugendliche vor, die in den Kriegsjahren ein Tagebuch geführt hatten. In der Präsentation hat Sie verschiedene Tagebücher zusammengefasst, in denen die Jugendlichen erklärten, wie sie die Zeit erlebt haben und wie sie sich fühlten, welche Widerstandsaktionen sie führten und wie ihre Lebensbedingungen sich von Jahr zu Jahr, wegen der Gesetze, verschlechterten. Das war sehr interessant, da ich so gelernt habe wie Jugendliche wie ich, die Zeit erlebt haben und welche Gefühle sie hatten und nochmal mehr macht es traurig und irgendwie auch wütend, dass all diese Jugendlichen auf grausamste Weise behandelt und umgebracht wurden.

 

Eigene Meinung:

Aber bevor ich diesen Text beende, möchte ich noch auf etwas anderes eingehen. Ich erinnere mich noch sehr genau, dass ich nach dem Besuch an des Hebreo Tarbut, zu meiner Freundin nachhause gefahren bin. Bei ihr haben wir zu Mittag gegessen und ihr Großonkel war auch dabei. Wir haben ihm natürlich erklärt, wo wir waren und was wir erlebt haben. Nach vielem Erklären unserer Eindrücke hat der Onkel einfach angefangen zu lachen. Ich habe zuerst nicht verstanden warum, bis der Onkel meinte: „Wie Ironisch, dass ihr die jüdische Schule besucht habt“. Der Onkel hat nicht verstanden, warum wir als deutsche-Schule die jüdische-Schule besucht haben und empfand das als komisch.

Falls es Leser*innen unter euch gibt, die dies auch nicht verstehen, möchte ich gerne erklären, warum unser Besuch überhaupt nicht „komisch“ war, sondern ganz im Gegenteil „normal“ und „wichtig“.

Erstens haben wir als Schüler*innen nichts mit dem zweiten Weltkrieg in Deutschland zu tun, waren weder beteiligt, noch haben wir die Zeit miterlebt. Deswegen gibt es keinen Grund für uns ein Schuldgefühl zu empfinden oder uns schlecht zu fühlen.

Jedoch bedeutet dies nicht, dass wir die Vergangenheit einfach vergessen dürfen und so tun als wäre nichts passiert. Wir müssen uns Erinnern in der und für die Gegenwart und damit für die Zukunft, damit Menschen andere Menschen nie mehr so behandeln. Gerade jetzt, wo in Deutschland und Mexiko antisemitische Bedrohungen, Angriffe und Anschläge sich häufen. Wo es anscheinend okay ist, wenn Politiker in der Öffentlichkeit, rassistische und antisemitische Parolen schreien.

Wir müssen lernen mit der Vergangenheit und der Verantwortung, die uns unsere Geschichte gegeben hat umzugehen. Wir als Schüler*innen der deutschen Schule lernen mit der Vergangenheit umzugehen, indem wir uns mit ihr beschäftigen uns andere Geschichte anhören und miteinander sprechen. Darüber zu sprechen ist wichtig, denn heutzutage neigen Menschen dazu das Thema (oder generell anstrengendes) zu vermeiden und indem man darüber spricht fangen Menschen an, die Vergangenheit zu verarbeiten und lernen damit umzugehen.

Deswegen hoffe ich, dass wir in der Zukunft öfter mit den jüdischen Schulen treffen, um so die jüdisch-deutsche Beziehung zu verbessern und dem Onkel meiner Freundin zu zeigen, dass es heute normal ist, dass die jüdische und deutsche Schule miteinander arbeiten und lernen.

 

 

 

Hier findest Du ein Interview mit Haya Feldmann, Yad Vashem Israel, des Sefarad (eine weitere jüdische Schule, mit deren Schüler*innen wir arbeiten konnten) zum Thema „Holocaust lehren“.